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Die verschiedenen Modeepochen im 18. Jahrhundert, bestimmt durch die politische
Vormacht Frankreichs, lassen sich nicht einheitlich unterteilen. Dies resultiert
wohl aus den Übergängen verschiedener Modestile, die nicht abrupt, sondern fließend
ineinander übergehen. So sind weder die Bezeichnungen noch die Zeitspannen in der
Literatur einheitlich. Knauers Kostümbuch beispielsweise zeigt hier folgende Übersicht:
Barock (bis 1715)
Regence (1715 - 1730)
Rokoko (1730 - 1770)
Louis seize (1770 - 1795)
Directoire (1795 - 1804)
Nienhold, Pirchan oder Boehn geben weiterhin jeweils andere Einteilungen der Epochen
mit unterschiedlichen Bezeichnungen und Jahresangaben an. Die Bezeichnung Rokoko kommt
aus dem Französischen: „rocaille“ = Muschel. Es war ursprünglich eine verächtliche und
spöttische Bezeichnung für diesen Modestil. Frankreich war zu Beginn des Rokoko
absoluter Wegweiser der Mode. So belieferte die französische Industrie alle
europäischen Höfe, u.a. auch den Karlsruher Hof mit Samt, Seide, Spitzen, Bänder,
Federn und Tressen (geflochtene Bänder wurden als Schuhbänder oder Korsettbank genutzt).
Nach französischem Vorbild schneiderte man die aktuellsten Modelle nach Vorlagen,
die auf Modekupfer (siehe Radierungen) abgebildet waren. Das sog. Modekupfer war ein
Vorläufer unserer heutigen Modemagazine. Doch nicht nur die Kleidermode war maßgebend.
Versaille mit seinem Schloss und Parkanlage diente schon lange Zeit zuvor als Ideal,
so dass seine Architektur und Gartenanlagen auch heute noch bei vielen europäischen
Schlössern zu sehen sind.
Wenn auch das Rokoko keinen eigenen Baustil hervorbrachte, so sind doch seine typischen
Ausstattungen der Räume ein wichtiges Merkmal der damaligen Mode.
Seit der Régence bestand eine Begeisterung für die ostasiatische Kunst.
War es hier das Beherrschte und Ruhige, so ist es im Rokoko das Bizarre,
Lebendige und die spielerische Anmut.
In der Geschichte der Kunst taucht nun zum ersten Mal das „unsymmetrische“ Ornament
auf, das bei Verzierungen, ob als Stuck auf Wänden und Decken oder an den großen
Galakleidern zu finden ist.
Beispiel für Rocaille-Ornament
Knauers Kostümkunde beschreibt den Stil folgendermaßen:
„Das Rokoko dekorierte mit schiefen Muschelschalen, mit S und C-förmigen Kurven und
Ornamenten, die wie Fledermausflügel oder Palmzweige geformt waren
(Zitat Nr. 1)
Man mied, soweit möglich, das Gerade und den rechten Winkel. Wände als abschließende
Flächen wurden durch Spiegel aufgehoben. In vielen Höfen wurden auch diese
Inneneinrichtungen kopiert. Mitte des 18. Jahrhunderts brachte ein Ereignis neue
Strömungen und Einflüsse, als die ehemals verschütteten und wieder gefundenen
antiken Städte wie Pompeji in Italien eine gewaltige Begeisterung für das Antike
in ganz Europa auslösten. Auch das Rokoko nahm die klaren schlichten Formen auf,
so dass der Grundstein für die Entwicklung des Modestils aus der altgriechischen
Kunst für das nächste Jahrhundert gelegt war (siehe Empire-Stil).
Von nun an gab es auch verschiedene parallel hervortretende Modestile, vor allem
im tonangebenden Frankreich: zum einen der französische Rokoko-Stil, zum anderen
die englische, naturverbundene Modeentwicklung. Diese Richtungen beeinflussten
sich sogar gegenseitig.
War zu Beginn des Rokoko die Silhouette der Frau eher klein und zierlich, so wurde
diese im Laufe der Zeit immer umfangreicher. Das Pudern der Perücken mit Weizenmehl
oder Reismehl war typisch für die Koketterie mit dem Alter, die unterschiedlichen
Jahre wurden so verwischt. Wohlhabende Adlige konnten sich eigens dafür hergerichtete
Räume leisten: durch eine Vorrichtung rieselte das Puder auf die Frisur von der Decke
herab. Wenig „Betuchte“ ließen sich im Treppenhaus einpudern.
Dieses weiß gepuderte Haar benötigte als Kontrast ein starkes Schminken von
Frauen und Männern. Schönheitspflästerchen aus gummierter schwarzer Seide oder
Papier, in den verschiedensten Formen erhältlich, waren das Sahnetüpfelchen des
Gesichts. Je nach Sitz hatte dieses Pflaster (franz. = Mouche) eine bestimmte
Bedeutung: auf der Nase sitzend galt der Träger als unverschämt, am Mundwinkel
als küssfreudig, am Auge klebend als leidenschaftlich.
Durch die Schminktechnik und die dazugehörige weiß gepuderte Frisur ließ sich
das Alter der Person nicht mehr feststellen. Man konnte sich ebenfalls bei der
Größe eines Menschen verschätzen. Zum einen wurden die Absätze immer höher, so
dass ein Spazierengehen im Freien nur mit Stock möglich war, zum anderen
erreichte die Frisur unter Marie Antoinette, Gemahlin Ludwig XVI, ungeahnte
Ausmaße in Höhe und Ausschmückung.
In manchen Frisuren waren ganze Landschaften oder Schiffe eingearbeitet,
Blumenbeete oder Vogelnester sind weitere Beispiele. Hier zeigte sich die
Naturauffassung der damaligen Adligen, gleichzeitig aber auch die Beeinflussung von
Aufklärung und neuem Naturbegriff eines Rousseaus. Natürlich war auch das eigene
Haar, mit dem die Frisuren der Damen gefertigt wurden. Die Perücke wurde höchstens
noch von falschen Haarteilen ersetzt.
„Diesen Luxus konnte sich kaum jemand leisten, da es Stunden dauerte, bis eine
aufwendige Frisur fertig war. Reiche Damen ließen sich alle acht Tage neu frisieren.
Weniger gut gestellte Mitschwestern mussten sich begnügen, den Haarkünstler einmal
im Monat zu empfangen.“
(Zitat Nr. 2)
Da diese Frisuren lange halten mussten und Körperpflege unbekannt war, konnte sich
das Ungeziefer lebhaft vermehren. Abhilfe verschafften Stäbe zum Kratzen und
Läusefallen, gefüllt mit Blut durchdrängter Watte, die in die Frisur und unter der
Kleidung befestigt waren.
Diese Kleidung, insbesondere der Rock, war Anfang des 18. Jahrhunderts
kuppelförmig, wurde jedoch im Laufe des Jahrhunderts immer umfangreicher.
Diese Entwicklung gipfelte in einer Form, bei der die Vorder- und Rückseite des
Rockes so stark abgeflacht bzw. breit wurde, dass eine Dame seitlich durch die
Tür gehen musste und beim Sitzen zwei Stühle benötigte. Das Grundgerüst dieses
Rockes bildete ein Reifrock. Den Gegensatz dazu bot das eng geschnürte Oberteil
bzw. Mieder der Damen. Oftmals fingen sie schon morgens mit der Schnürung
an, um Stunde für Stunde das Mieder enger zu schnüren. Am Abend schließlich
erreichte man dann die gewünschte schmale Taille. Ziel war, den Gegensatz von
massigem Unterteil zur schlanken Wespentaille zu betonen. Da schon die kleinsten
Kinder in ein Korsett gezwängt wurden, hatte die Taille keine Möglichkeit zur normalen
Entwicklung. Eine gewisse Gräfin Franziska Krasinska berichtete, dass Ihre Taille
den Umfang von einer halben Elle (30 cm) nicht überschritt.
„Für Psychoanalytiker der Mode ist der Reifrock ein reizvolles Objekt. Die Veränderung
von der –mütterlichen- Kuppelform zur –erotischen- Ovalform, die das Vis-à-vis der
Partner erlaubte, ist, wie sie es sehen, typisch für das galante Rokoko, das raffinierte
Spannungen zu schaffen versteht: Der Oberkörper der Frau wird als anbetungswürdige
Zerbrechlichkeit zelebriert, während die kunstvolle Ausdehnung der unteren Körperpartien
sexuelle Leistungsfähigkeit suggerieren soll.“
(Zitat Nr. 3)
Mit diesem Modetyp hatte sich das Rokoko ausgelebt. Die Leichtigkeit war verloren
gegangen. Dies ist auch die Zeit, die als „Louis seize“ bzw. „Zopfzeit“ bezeichnet
wird. Eine anders geartete Mode aus England, die kurze Zeit die Führung übernahm,
ergänzte das französische Bild. Im Bereich der Herrenmode blieb England sogar
Führer und setzte Meilensteine, die das Modebild unserer Tage z.B. durch das Tragen
langer Hosen mitbestimmt.
Der Kontinent wurde zunehmend durch die englische Philosophie, Literatur und Sitte
beeinflusst. So stand die „natürliche Natur“ im Gegensatz zur künstlichen, künstlerisch
gewordenen und eingerichteten Natur des französischen Rokoko.
Als neues Schlagwort galt Rousseaus „Zurück zur Natur“, es war Mode geworden,
Empfindungen zu haben.
Parks wurden angelegt, die Stimmung erregen sollten: Tempel, Altäre, künstliche
Ruinen, Bauernhütten, Kapellen, Moscheen, Grotten und Denkmäler wurden gebaut,
um Empfindungen beim Betrachter zu wecken. Ein schönes Beispiel dafür ist der
Schwetzinger Schlosspark (Baden-Württemberg).
Die Natur konnte wieder Natur sein. Dies machte sich nicht nur in den Gärten bemerkbar,
auch die Kleidung war bequemer geworden.
Galt das Kind früher als ein kleiner Erwachsener, geschnürt und angezogen wie Vater
oder Mutter, so hatte es nun wieder die Möglichkeit zur freien Bewegung und normalen
Entwicklung des Körpers erhalten.
Es entstanden zudem eine Vielzahl von pädagogischen Systemen, die die Bürger zu
freien Menschen in freier Natur erziehen sollten – jedoch nur für bürgerliche
Sprösslinge. Die Landbevölkerung hatte Gehorsam zu lernen.
Nicht nur England verbreitet seine neuen Modeerfindungen, in Deutschland wandelte
sich die englische Kleidung zur Werther-Tracht, genannt nach Goethes Roman
„Die Leiden des jungen Werther“ von 1774.
In den 80er Jahren begann man auch in Paris sich englisch zu kleiden. Mit den
Anfängen der Revolution endete auch dieser letzte Rokoko-Abschnitt.
Die weitere Entwicklung der Mode endete Anfang des 19. Jahrhunderts im sog. Empire,
der die Begeisterung für die altgriechische Kunst ausdrückte.
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.: Zitate :.
1. Knauers Kostümbuch. München, Zürich: Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. ,
S. 177 (zum Text!)
2. Knauers Kostümbuch. S.190 (zum Text!)
3. KEPPLER, EDUARD: Die Mode des 18. Jahrhunderts. S. 135 (zum Text!)
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